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Zukunft ausstellen: Szenografie-Kolloquium DASA
Wovon machen Sie sich bei einem neuen Ausstellungsprojekt als erstes ein Bild? – Wie vereinen Sie Architektur und Geschichte des Ausstellungsortes mit den Inhalten und dem szenografischen Design? – Und wie beziehen Sie die Besucherinnen und Besucher mit ein?
1. Seit Ihrem Studium verbinden Sie Architektur und Szenografie in vielen Projekten miteinander. Inwiefern bedingen sich diese Bereiche und nehmen Einfluss aufeinander?
Architektur ist immer eine Art der Inszenierung und damit auch der Szenografie. Architektur bedeutet, einer Idee eine Form zu geben. Nicht jede Spielart der Inszenierung ist jedoch architektonisch. Nicht jede beliebige Gestaltung eines Raums ist Architektur. Szenografie kann beispielsweise auch interaktiv, theatral oder ausschliesslich dekorativ sein, ohne architektonisch zu sein.
Mein Anspruch ist es, Architekturprojekten eine szenografische Qualität zu geben, und szenografischen Projekten eine architektonische Form.
2. Wenn Sie ein neues Projekt starten, wovon machen Sie sich als erstes ein Bild?
Als erstes mache ich mir ein Bild vom Raum, vom Kontext. Dieses Bild entsteht in der Regel zuerst im Kopf. Den räumlichen Entwurf entwickle ich ausgehend vom Raum und der darin eingeschriebenen Geschichte. Manchmal beginne ich auch zu zeichnen, ohne dass ich schon eine konkrete Vorstellung habe. Ich suche immer den Dialog mit dem Raum. Aus der Auseinandersetzung mit dem Kontext nimmt während des Skizzierens der Entwurf Gestalt an.
3. Wie vereinen Sie die Architektur und die Geschichte des Ausstellungsortes mit den Inhalten und dem szenografischen Design der Ausstellung?
Wie bereits oben erwähnt, der Ort und dessen Geschichte ist für mich jeweils zentral für die szenografische Gestaltung. Die Räumlichkeiten sind Ausgangspunkt des Designs, das Inhalt und die Geschichte des Ortes zusammen bringen muss. Die Gestaltung ist immer Mittel, um eine Geschichte zu erzählen, nie Selbstzweck.
4. Was hat Sie bei der DASA Ausstellung "Neue Arbeitswelten" inspiriert?
Die Vergangenheit der Zukunft. Inhaltlich hat mich der Blick zurück inspiriert. Historische Vorstellungen der damaligen Zukunftsvorstellungen muten auf den ersten Blick mal lächerlich, mal phantastisch an. Auf den zweiten Blick stellt man fest: Praktisch alles, was sich die Menschen in früheren Zeiten ausgemalt haben, ist eingetroffen oder steht unmittelbar bevor, zum Beispiel Drohnen, die als Boten eingesetzt werden. Gestalterisch haben uns Geräte inspiriert, die praktisch ohne sichtbare Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine auskommen. Reine Informatik ersetzt Tasten und Schaltflächen. Solche Geräte haben uns zu den Ausstellungsmöbeln angeregt.
5. Wie beziehen Sie die BesucherInnen in Ihre Idee mit ein?
Der Raum ist so gegliedert, dass grosszügige Durch- und Einsichten entstehen, die den Blick auf die anderen BesucherInnen freigeben. Die Menschen in der Ausstellung werden Teil der Inszenierung. Sie sind zugleich Akteure und BeobachterInnen. Beispielsweise befinden sich gleich beim Eingang die Zeitkapseln. BesucherInnen, die sich die Filme darin ansehen, exponieren sich und werden Teil der Attraktion. Die Einbindung ist performativ, auf aktive Animation wird verzichtet.
6. Was war die größte Herausforderung bei der Umsetzung der Idee?
Die grösste Herausforderung war, dass es keine Exponate aus der Zukunft gibt. Alle Objekte, die wir zeigen können, sind im besten Fall „state of the art“. Alles weitere ist Spekulation und aus der Geschichte haben wir gelernt, dass es am Ende trotzdem anders kommt.
7. Gibt es einen besonders wichtigen Punkt in der Ausstellung in Hinblick auf die Zukunft?
Im Gegensatz zu anderen Ausstellungen wollen wir nicht die Technologie der Zukunft zeigen. Wir setzen als Gegenstand der Ausstellung auf etwas anderes: Uns interessieren die Fähigkeiten der heutigen Menschen, Vermutungen über die Zukunft anzustellen. Wir leben in einer Gegenwart, die sich rasant entwickelt. Einschätzungen und Prognosen der Personen, die in dieser Gegenwart leben, sind in unseren Augen aussagekräftiger als Objekte. Die teilweise auch ausgestellten technischen Exponate verstehen wir als Kommentar dazu.
8. Denken Sie, dass wir aufgrund des vermehrten Einsatzes von medialen Interaktionen bald weg von Materialität im Raum gehen?
So wie wir Menschen uns nicht in interaktive Programme auflösen, wird die Materialität des Raumes nicht irrelevant, sondern im Gegenteil wichtiger werden. Das Materielle wird durch seine Authentizität an Wert gewinnen. Ich gehe davon aus, dass es nicht so weit kommt, dass die Welt in Zukunft ein "Game" ist, das wir durch eine 3D Brille betrachten.
9. Welches Projekt würden Sie als zukunftsweisend ansehen?
Prinzipiell ist jedes Projekt zukunftsweisend, das sich mit den Veränderungen der Gesellschaft, der Familienstrukturen, der Zusammensetzung der Bevölkerung sowie verschiedenen Interessenskonflikt-Ebenen auseinandersetzen. Diese sind nicht zwingend Projekte, die offensichtlich "politisch" sind. Einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung der Zukunft leisten alle Projekte, die den Dialog fördern, und tiefsinniger sind als die sogenannten sozialen Netzwerke, die sich zunehmend asozial gebärden.
10. Was denken Sie, was wir in Zukunft im Bereich Szenografie und Architektur erwarten dürfen?
Im Bereich Ausstellung kommt bestimmt eine verstärkte Überlagerung von realer und digitaler Welt auf uns zu. Ausstellungen werden zunehmend Spektakel, die vergleichbar mit dem Kino oder dem Theater ein sinnliches Erlebnis mit mehreren Dimensionen bieten. In der Architektur erwarte ich eine weiter zunehmende globale Verstädterung und verstärkte Konzentration auf einige wenige grosse Ballungsräume. Der Konflikt zwischen überbautem Raum und schwindendem Naturraum verschärft sich. Die Stadt wird zur Spielwiese inszenierter Architektur.